DENKEN
Sie müssen nicht wissen, wie ihr Gehirn seine Fähigkeiten erhält. Sie sollten ihrem Gehirn jedoch deutlich machen, dass Sie diese Fähigkeiten benötigen.
In der Säule DENKEN im Tempel der IDUN geht es darum, unser Gehirn zu überzeugen, dass Lernen, Merken und Erinnern für uns wichtig sind. Genauso wichtig wie Logik, Vorstellungsvermögen, Kreativität und vernetztes Denken; genauso wie unser Wortschatz, unser Sprachgefühl oder die Fähigkeit, sich in einer Fremdsprache auszudrücken.
Wie jung wir uns fühlen und wie sehr wir unser Leben genießen, hängt zu einem großen Teil von der subjektiven Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ab. Subjektiv deswegen, da es weniger entscheidend ist, wie unser Gehirn im Vergleich zu anderen funktioniert, als wie es im Vergleich zu uns selbst funktioniert.
Ist unser Gehirn heute leistungsfähiger als gestern, entspricht dies einer Verjüngung; denn Wachstum ist ein Kennzeichen von Jugendlichkeit.
Wir wissen inzwischen, dass wir die Leistungsfähigkeit unseres Denkapparates nicht nur bis ins hohe Alter erhalten, sondern sogar steigern können. Dies und viele weitere Entdeckungen der wissenschaftlichen Forschung legen den Gedanken nahe, dass die Neurogenese (Erschaffung neuer Gehirnzellen) in erster Linie nicht deswegen abnimmt, weil unser Gehirn älter wird, sondern weil wir weniger Neues lernen.
Vielfältige Reize, Lernen und Bewegung sind wichtige Auslöser für die Freisetzung von BDNF, dem Brain-derived neurotrophic factor. BDNF hilft die Plastizität des Gehirns zu erhalten, indem es die Umstrukturierung beim Lernen und den Übergang ins Langzeitgedächtnis unterstützt. BDNF ist beteiligt an der Bildung neuer Nervenzellen und ein wichtiger Überlebensfaktor für dopaminproduzierende Nervenzellen.
Produziert unser Gehirn zu wenig Dopamin, hat dies gravierende Auswirkungen. Nicht umsonst gilt Dopamin als der Turbolader für Nervenzellen. Dopamin steuert unsere Aufmerksamkeit, hilft uns Entscheidungen zu treffen und erhält unsere Neugierde. Und ist Neugierde nicht ein Kennzeichen junggebliebener Menschen?
Ein Gehirn, das nicht genutzt wird, baut Leistung ab. Ein Gehirn, das mit moderaten Anforderungen konfrontiert wird, die etwas außerhalb der Bequemlichkeitszone liegen, wird auf diese Anforderungen mit Wachstum und Weiterentwicklung reagieren. Damit sorgen wir nicht nur für den Erhalt unserer Kapazitäten, wir werden auch mit dem Ausbau zusätzlicher Reserven belohnt.
In zunehmendem Alter wird dies immer wichtiger. Während ein junges Gehirn von seiner Struktur und seinen biochemischen Prozessen darauf ausgerichtet ist, möglichst viele Informationen aufzunehmen und abzuspeichern, verschiebt sich der Fokus im Laufe der Jahre zunehmend darauf, Informationen zu bewerten, um nur noch wirklich Relevantes im Gedächtnis abzulegen.
Unser Gehirn „spürt“ genau, wenn wir mit Informationen versorgt werden, die uns eigentlich gar nicht interessieren. Zu Beginn unserer Entwicklung wird dies durch die Grundprogrammierung, möglichst viele Informationen zu sammeln, überlagert. Jugendliche können sich mit etwas Fleiß relativ leicht dazu zwingen, auch ungeliebte Geometrieformeln oder lateinische Vokabeln zu lernen. Das ältere Gehirn lässt sich durch eine hohe Anzahl von Wiederholungen kaum noch beeindrucken. Das erwachsene Gehirn hat bereits jede Menge Informationen abgespeichert und es wird zunehmend wichtiger, diese möglichst effizient zu organisieren. Neue Informationen werden deshalb viel leichter aussortiert und nur wirklich Wichtiges gelangt in unser Gedächtnis.
Doch woran erkennt das reife Gehirn, welche Informationen tatsächlich relevant sind? Es erkennt es genauso wie ein junges Gehirn: An der Biochemie, die mit der Information einhergeht. Der chemische Cocktail in unserem Gehirn entscheidet darüber, wie leicht eine Information aufgenommen wird. Dieser Cocktail aus unterschiedlichen Botenstoffen ist jedoch stark von unseren Emotionen abhängig.
Vereinfach gesagt: Intensive Emotionen sind für unser Gehirn ein Hinweis darauf, dass eine Information wichtig genug ist, um abgespeichert zu werden.
Umgekehrt bedeutet dies: Langweiliger Lernstoff, der uns emotional nicht berührt, ist für unser Gehirn nicht „merkwürdig“.
Wer leidenschaftliches Interesse an einem Thema hat, oder sich mit Engagement in ein neues Hobby einarbeitet, wird auch in hohem Alter feststellen, dass sein Gehirn diese Dinge regelrecht aufsaugt.
Wer jedoch, nur weil es irgendwie schick ist oder um sein Gedächtnis zu trainieren, eine neue Fremdsprache lernen möchte, darf sich nicht wundern, wenn dies in eine Quälerei auszuarten droht.
Das Reale folgt auf das Mentale. Jeder gesunde Mensch kann selbst in höchstem Altern noch Neues lernen. Je besser Sie ihr Gehirn davon überzeugen, dass dieses Neue interessant und wichtig ist, desto leichter werden Sie sich dieses Neue auch merken können. Starkes Interesse gleicht somit den Nachteil aus, generell weniger leicht neue Informationen aufzunehmen. Zusätzlich erhalten Sie durch ihr bereits hochvernetztes Gehirn, Ihr vorhandenes Wissen und vorhandene Lernstrukturen einen erheblichen Vorteil. Ältere Studenten lernen vielleicht langsamer, dafür aber effektiver.